09.03.2017
(Ein "Leserkommentar" - oder die persönliche "Oberligazwischenbilanz" von Fraggle)
TuS Osdorf: Phasen der Oberliga…
…oder: woraus werden Träume gemacht
Wie groß war die Freude im letzten Jahr, als TuS Osdorf sich anschickte, nach vier erfolgreichen Jahren Landesliga ins Oberhaus des Hamburger Fußballs aufzurücken. Gleichwohl gewarnt, dass solch eine Spielzeit auch schnell mal zu einem schmerzhaften One-Hit-Wonder gelangen kann, wie unsere lieben Nachbarn von der ehemaligen Flurstraße schmerzhaft zu berichten wissen. Aber warum sollte ein grundsolide geführter Klub, der keinerlei finanzielle Hütchenspiele vollzog und sich überragend sportlich für die Belletage qualifiziert hat, solch eine Herausforderung nicht offensiv annehmen. Denn was könnte schon groß passieren? Dass man erkennt, nicht wirklich mit den großen Jungs mit den großen Namen aus den großen Traditionsvereinen Hamburgs mithalten zu können und den Gang zurück in die ( bis 2012 auch nicht für möglich gehaltene ) Landesliga antreten muss? So what, gehen wir es an. Den Staffelplan vorliegend rieben sich nicht wenige der auf „Groß“ angewachsenen Anhängerschar die Augen und Hände: Concordia, Victoria, BU, Condor und nicht zuletzt Altona 93 – die wollte man doch ursprünglich zur Eröffnung des Kunstrasen einladen, wich davon ab, weil die ja nun offiziell anreisen würden. Wie sich die Zeiten ändern. Gegen diese Granden hatte man zuvor entweder nur im ODDSET-Pokal kicken oder sich mit der Zweitvertretung in der BL oder LL messen dürfen. Nun also das große Konzert. Mögen die Spiele beginnen…
„Die Lehrgeldphase“
Es begann mit dem Kick in Pinneberg, gegen deren Unterbau man sich traditionell immer schwer tat. Eine ausgeglichene erste Oberliga-Halbzeit endete mit 0:0 und einem verschossenen Elfmeter für TuS. Bitter auf dem Boden der Tatsache landete man in Hälfte zwei, wo Pinneberg den grünen Gast mit 1:6 nach Hause schickte. Schlucken, okay, Oberliga…
Die über Jahre ein Bezirks- und Landesliga verwöhnten Kiebitze durften dann das doppelte Heimdebüt auf dem Oberliga-Kunstrasen gegen das spielstarke Türkiye beäugen. Und es sollte so weiter gehen, zu groß schienen die anzuziehenden Klamotten. 0:2 führte der Gast. Aber TuS bewies, dass man das Fußballspielen sehr wohl noch drauf hatte und konnte am Ende noch auf 2:2 stellen. Egal ob rot oder grün, noch immer siegt keiner am Blomkamp. Erster Punkt.
Was folgte, waren zwei ganz bittere Derbys: bei den Schwergewichten aus Altona stand man kurz vor einer faustdicken Überraschung in Form eines Punktgewinns, bevor der Knock-Out in der 90.Minute erfolgte. Der erste richtige Tiefpunkt folgte beim Heimauftritt gegen Mitaufsteiger Wedel, die man auf Augenhöhe wähnte und denen man sang- und klanglos 1:4 unterlag. 4.Spieltag, Vorletzter!
„Die Achtungserfolge“
Der 5.Spieltag, Auswärtsreise nach Buchholz, die ambitioniert in die Saison gingen. Das erstaunliche 2:0 konnte TuS nicht halten, dem 2:2 folgte in der letzten Minute die gelb-rote Karte für Torben. Serienmeister Dassendorf ging wie erwartet mit 1:0 in Führung, musste nach überragender Mannschaftsleistung des Aufsteigers aber zwei wertvolle Punkte am Blomkamp lassen. Die Liga horchte auf, machte das Ergebnis aber mehr an dem durchwachsenen Gesamtstart des Titelträgers als an dem engagierten Auftritt des Kellerkindes fest. Das sollte sich eigentlich mit dem Spiel gegen die ebenfalls im oberen Drittel ansässigen Barmbeker aus Uhlenhorst ( oder umgekehrt ) ändern. Vor dem Spiel hätte sicherlich jeder aus dem Westen Hamburgs ein Remis unterschrieben, warum der Schiri aber die letzte Szene in dem Moment, wo Jerry am Keeper vorbeikurvte, abpfiff, ließ einem den Glauben an der Grundeigenschaft eines Unparteiischen verlieren. 7.Spieltag, dreimal Schulterklopfer, aber auf dem 17.Rang eingependelt.
„Die Ankunft“
Kellerduell am Blomkamp, der Gastgeber empfing den Klub aus dem Städtchen, wo die Hunde mit dem Schwanz bellen. Ein zäh zu kauender Happen war der Kick, die Tore in Durchgang 1 und 2 fielen jeweils zum richtigen Zeitpunkt – abgesehen dafür, dass es einen verkehrten wohl sowieso nicht gibt. Durchatmen, den erste n Drilling eingefahren. Geht also doch. Ein zweiter Heimauftritt sollte HR am Blomschen antanzen lassen, und in einem munteren Spiel ging TuS verdient mit 2:0 und 3:1 in Führung, ehe man es nach dem Anschlußtreffer noch einmal unnötig spannend machte. Nächster Dreier und Sprung aus dem Keller auf Platz 11. Da in diesen Gefilden die Luft nicht mehr allzu dünn ist und siegen Appetit auf siegen macht, legte man gleich mit einem erstaunlich abgeklärten Auftritt bei Kosova nach. 3:0, das hatte von der Souveränität dann erstmals den alten Landesliga-Charakter. 10.Spieltag, 10.Platz. Angekommen…
„Die Ergebnisdelle“
Eins der besten Heimspiele sah das gemeine Volk am 11.Spieltag gegen Victoria: in einer rassigen Partie konterte Vicky den Führungstreffer durch Germain kurze Zeit später. Zum Ende der zweiten Halbzeit hatte man das Gefühl, das Vicky nichts mehr zu zusetzen hatte und wenn überhaupt nur noch auf Vereinsheimsseite ein Tor fallen könne. Aber die individuelle Klasse eines Ebbers und ein erstklassiker Konter ließen TuS ohne den verdienten Teilerfolg zurück. Prima Kick, aber eine Delle im Resultat. Dann müssen die liegen gelassenen Zähler halt beim Abstiegskontrahenten aus Süderelbe geholt werden. Den Sieg schon im Sack, haderte man mit der einen oder anderen Entscheidung des Referees und fing sich in der 90. den Ausgleich ein. Sollte der Aufschwung nach den drei Siegen tatsächlich wieder dahin sein? Das indiskutable 0:3 zuhause gegen Niendorf bedeute den zweiten Tiefpunkt nach dem Wedelspiel, bei 1:2 in Rugenbergen setzte es die nächste Enttäuschung. Zwei Spiele gegen Mannschaften von unten, ein Tor – und das schoss der Gastgeber in der letzten Minute selbst. 14.Spieltag, Tabellenplatz 13, Puffer aufgebrauch – welcome back!
„Der Umschwung“
Und nun kam Concordia! Der Ligaprimus hatte zuvor von sich reden gemacht, als sie ein völlig irres Spiel in Wedel nach 0:3 und 3:5 noch mit 8:5 gewannen. Das versprach einiges, aber nichts Gutes. Aber Osdorf wäre nicht Osdorf, wenn sie solche Leckerlies ausschlügen. Am Ende stand ein rassiges 3:3, welches dem neutralen Fussi-Fan ohne Restwünsche zurückließ. Hab acht. Bei Curslack ein komplett anderen Spiel, dies wurde von der Defensive bestimmt. Fast folgerichtig das 0:0 am Ende, aber Toni hätte, wenn er die Großchancen gemacht hätte, sicherlich den Spielball mit nach Hause genommen, wie man das neuerdings nach Mehrpackern gerne macht. Niederlagenserie gestoppt, aber runter auf Platz 14 nach 16 Spielen.
„Die Mörderserie“
Als letztes Team bekam Osdorf nun Condor vor die Flinte, in der Tabelle oben thronend, auf Tuchfüllung zu den Aufstiegsrängen. Wieder sollte es der Fan nicht bereut haben, die dicken Klamotten gegen die Hausschuhe getauscht zu haben. In einem Klassematch setzte sich TuS nicht unverdient mit 3:2 durch. Nach 6 sieglosen Spielen endlich wieder ein Drilling. 4 Siege, 7 Remis, 6 Niederlagen – nicht schlecht für einen Aufsteiger, der, wenn man der Trainergilde Glauben schenken mag, eigentlich gar keinen Fußball spielen kann. Das letzte Spiel des Jahres 2016 brachte Pinneberg an dem Blomkamp, nachdem TuS sich im ODDSET-Pokal gegen Rugenbergen für die farblose Punktspielniederlage revanchierte und in Unterzahl ( Toni und sein neuer Freundeskreis ) mit 2:1 ins Viertelfinale einzog. Pinneberg war nun also das zweitemal da, nachdem der erste Auftritt durch das Flutlicht des Grauens und dem Nebel des Grauens nach 1:0 Führung und Platzverweis Bennets abgebrochen wurde. Bitter, dass aus diesem Spiel statistisch nur der rote Karton des Capitanos übrig blieb. Aber im zweiten Akt konnte die bis dato höchste Niederlage in der Oberliga wettgemacht und Pinneberg mit 2:0 weggemacht werden. 2017 startete mit der Rückkehr der Grandplatz-Granden. Ehe Türkiye den Focus auf’s Fußballspielen richten konnte, stand es schon 0:3. Zwar konnte der Gastgeber noch einmal auf 2:3 herankommen, aber die Niederlage war der Beginn einer Talfahrt Türkiyes und die Fortsetzung der zweiten Siegesserie Osdorfs, die nun den zweiten Siegeshattrick einfuhren. Dass so etwas nicht zwingend ausbaufähig sein muss, lies der kommende Gegner aus Altona befürchten. Mit ordentlicher Anhängerschar anreisend, wartete der Zuschauer auf die Welle, die Osdorf erfassen sollte. Das kam aber nur ein Rinnsal daher, stattdessen setzte TuS in Form von Melvin eine Duftnummer und stellte zur Pause auf 1:0. Aus der Pause kommend wurde nun eine andere Gangart Altonas erwartet, aber die blieb walkend. Aus dem Tritt brachte den Gastgeber lediglich die Kombi aus mobilem Heizlüfter und Vereinsheim-Fritteuse, die dem Flutlicht zum zweiten Mal in seinem jungen Dasein den Strom abwürgte. Banges Warten, nach gut 20 Minuten ging es doch noch weiter und 93 hatte nach dieser Unterbrechung die beste Phase, zwischen Mittellinie und Sechszehner gefällig, danach aber nicht gefährlich. In diese Phase dann das 2:0 durch Henrik Schmidt, der Jerrys Vorarbeit zum K.O.-Klapps für Altona verwertet. Danke, Altona, für Punkte und Umsatz. Gerne hätte man den Revanchefeldzug auch in Wedel weitergeführt, es langte am Ende zu einem Punktgewinn. Die verloren gegangenen zwei Punkte dürften Wedel jedoch mehr zu schaffen machen, als der Mannschaft der Stunde. Wie lang so eine Stunde gefühlt sein kann, ist relativ. Jedenfalls war der Minutenzeiger gegen Buchholz noch nicht ganz rum. Der Karnickelfangschlag kurz vor der Pause, als Buchholz mit dem Gong das 0:1 markierte, wurde mit unglaublicher Nehmerqualität weggesteckt. Ein Kombi der betagten Ude und Blume sorgte für den Ausgleich, den Siegtreffer durfte der Gast selbst verzeichnen. Durch die Nachholspiele und den festeingeplanten Sieg in Osdorf hätte Buchholz oben richtig angreifen können, nun hieß der Küchenmeister Schmalhans. Und wenn Du denkst, die Schraube ist nach acht Spielen ohne Niederlage bei fünf Siegen plus Erfolg im Pokal überdreht, der kennt die Mentalität der Osdorfer immer noch nicht. Schier unglaublich, dass nach dem überraschenden 1:1 zuhause gegen Meisterabonnent Dassendorf in deren Wohnzimmer der volle Punktekoffer entführt werden konnte. Da helfen weder Motz- noch Rotzattacken, gegen diesen Teamgeist kriegste nichts auf Rezept. Platz 6 nach 23, Traum oder nicht, gekniffen werden möchte ich aktuell jedenfalls nicht. Sind noch elf Träume, die geträumt werden wollen. Und erst dann wollen die ausgeträumten Köpfe ruhen…