Seniorenfussball in Osdorf - Kaderplanung völlig gaga
Es begab sich an einem milden Frühsommertag im Juni, da sich ein Quartett von Visionären in einem einschlägig bekannten Etablissement vor den Toren Hamburgs zu einem konspirativen Treffen versammelte. Gute vier Monate dauerte diese Phase nun an, die mit Begriffen wie Lockdown oder Pandemie Begriffe zu Tage brachte, die die meisten das letzte mal im Englischförder- oder Biologieleistungskurs gehört hatten. Diese Phase war nicht nur der Entschleunigung generell, sondern dem kalten Fussballentzug speziell förderlich. Wochenende ohne Bundesliga? So what!? Raus in die Natur, Flora und Fauna, statt König Fussball der Zaunkönig. Blühende Natur, wer vermisst da schon den frischgemähten Kunstrasen am Blomschen? Und in diese Unzeit, am 18.Juni 2020, wollten sich nun diese vier verpeilten Patienten treffen, um die Zukunft zu besprechen, die es eigentlich gar nicht gab. Hüben die Herren Rainer und Fraggle, Teile der Seniorenresterampe, der der Zahn der Zeit das Personal doch arg hat schrumpfen lassen. Drüben Piet, legänderer Oberligaaufstiegstrainer und frischer Übungsleiter der neu gegründeten Altliga, deren Kader sich liest wie ein Marsch durch die Osdorfer Ahnengalerie. So prominent, dass den Kiebitzen am Blomkamp beim Verlesen der Sabber auf die frischen Bratwurstsemmeln Matteos tropfen würde. Verstärkt durch den vierten Protagonisten, von dem bereits reichlich gemunkelt wurde. Steffen, Ex-Obmann bei Tornesch, dort den Titel eines fussballverrückten Machers erworben, der nun das Team der Altliga mit dem Rundumsorglospaket versorgen sollte. Kaum eingetroffen - Piet nachtürlich mit dem akademischen Viertelstündchen Verspätung - setzte man sich zusammen. Schnell wurde den illusionsreichen, aber perspektivlosen Senioren klar: der ist ja wirklich völlig bekloppt, der gute Steffen!!! Was der, ergänzend zu den sportlichen Prognosen Piets, für Vorstellungen hatte, ließ Rainer und Fraggle mit offenen Mund da sitzen - und das sah ziemlich Scheiße aus. Begleitend zum Durchmarsch von Bezirksliga zu Oberliga sollte auch die Infrastruktur verändert werden: Fitnessraum. eigener gemeinsamer Container für Altliga und Senioren inkl. Osdorfgraffiti , Dachkonstruktion von Ligacontainer bis zum Kiosk etc. Der jedoch griffigste und wichtigste Punkt: eine personelle Kooperation zwischen Altliga und Senioren. Der üppig gefüllte Kader der Altliga sollte an Spieltagen einen Überhang an Spielern Ü37 haben, aus dem sich die Senioren bedienen solle. So die romantische Vorstellung. Mit diesem Gesamtpaket trennte man sich, die Seniorenvertreter mussten erst zum Ausgang geführt werden, so schwindelig war man ob des Tempos und des Volumens.
Mit dem Germium der Administratoren der Senioritas traf man sich knapp 14 Tage später im Weinpalast von Don Deeg. Dort wurde berichtet über das, was sich da auftat, vor den Toren Osdorfs. Ausgestattet mit Flipchart wurde der Kader der Senioren für die Saison 20/21 skizziert. Die Gefahr, dass die Eddings dabei leergeschrieben werden, ging gen Null. Alles, was zwei trombosefrei Beine hat, wurde aufgepinselt. Jeder, der in den letzten Jahren den Austritt verpennt hatte, fand namentliche Erwähnung. Männer mit Doppelnamen wurden zweifach erfasst, der Papierausweis aus Rainers neuen Korkodilledergeldbörse wurde gezuckt und Max Mustermann notiert. Als die Übersicht fertig war der ernüchternde Blick: viel passieren dürfe nicht!!! Mehr als 18, 19 Spieler waren das nicht, Karteileichen der Vergangenheit, Spieler mit Verletzungsordern dick wie die Buddenbrocks, Saisonspieler, die bei unter 10 Grad plötzlich eine neue, unbekante Handynummer hatten.
Aber: die Sorge war völlig unbegründet! Durchschnittlich 15 Spieler, am Ende Tabellenerster, mit Thomas Deeg den Torschützenkönig gestellt - und das alles ohne einen einzigen Altligaspieler. Ha! - Okay, die Saison begann erst am 23.10.2021 und endete mit Abpfiff...
Und alles auf Anfang, Entschleunigung, Spaziergänge, diesmal die bunte Laubfärbung bewundernd, ...und das Containerkonzept. Somit konnte man in den Chatgruppen zumindest doch noch den ein oder anderen Blutzirkel in Wallung bringen. Dazu Rucksack und Handtuchbestellungen, herrlich.
Erst im Juni ging der geregelte Trainingsbetrieb dann wieder los, aber bis auf Muskel-Aua war da noch wenig zu merken. Also Ferien abwarten und dann ab in die neue Saison. Und an dieser Stelle wurde das ein Jahr alte Konzept wieder mit Leben gefüllt: die Kooperation der beiden Mannschaften. So weit, so gut, graue Theorie muss mit Farbe und Leben gefüllt werden.
Und so ging es erst einmal nach Altenwerder. In der Kabine musste niemand vorgstellt werden, das waren alles bekannte Gesichter...alte, sehr alte Gesichter. Altliga zeitgleich im Einsatz, und so mussten wir gegen ehemalige Profis von Gornik Zabrze, Stal Mielec, Rakow Tschenstochau und Bruk-Bet Termalica Nieciecza antreten, tapfer, ein 2:2 haltend bis zum Pausenpfiff, mit dem wir das 2:3 kassierten...und am Ende mit 2:7 wieder durch den Tunnel zurück fuhren. Konfuser als zweite Halbzeit geht's sonst nur auf Boris Johnsons Rüber zu. Joa, hat sich ja nicht viel geändert...und der Container ist auch noch nicht fertig...
Appen, erstmals mit Verstärkung durch Malte, Marcel, Damian und good old Blume. Sehr intensives Spiel, zweimal im Rückstand, Möhrchen einen Gegenspieler subtrahiert und am Ende mit 3:2 die ersten 3 Punkte im Sack. Schwere Geburt das...
Erstes Heimspiel, wieder ohne AH-Support, wieder viele Tore, wieder die meisten auf der falschen Seite. 3:5 gegen Teutonia, jetzt schon ein Torverhältnis wie andere zum Ende der Hinserie. Bleibt schwierig...
Dann der Tiefpunkt, das Spiel bei Gencler! Mit Damian, Mahan, Blume und Ello am Start gab es keine Ausreden mehr, zumal auch aus den "ursprünglichen" Reihen soweit alles am Start war. Warum Gencler aber mit 1:0 in die Pause geht und wir Chancen im doppelten Dutzend liegen ließen, kann keiner erklären. Zweite Hälfte auf 0:3 gestellt, innerhalb kürzester Zeit kurz vor Schluss auf 3:3, um dann in einen kreuzdämlichen Konter zu laufen...Kernschmelze..
So, vier Spiele, schlanke drei Punkte: nüchtern betrachtet ( das fiel den meisten sicherlich schwer ) - verlieren konnten wir bereits vor der Verschmelzung.
Aber weidda, immer weidda, auf nach Wedel, wo wir die letzten Spiele reichlich bis richtig bekamen. Drei Altligaspieler, etliche Seniorenrecken, und plötzlich funktioniert es. Stefan Dreyer reaktiviert, und mit 2:4 dann die beste Defensivleistung, die Tore zeitlich gut gesetzt. Freitagabend, Wochenende, hoch die Hände...erneut nüchtern betrachtet.
Eidelstedt, Tabellenführer. Hab mir vorgenommen, ab diesem Spiel auf die Unterscheidung AH/Sen. zu verzichten. Zu klar haben sich sämtliche Spieler positioniert, dass sie richtig Bock auf Spiele bei den Herrschaften im gesetzteren Alter haben. Und genau so sieht der Kick aus. Individueller Fehler zum 0:1, Ausgleich Ello, fetter Patzer 1:2, Olli wieder aus Remis, nächste Fritte zum 2:3 und mit dem Abpfiff das 3:3 durch den zuvor gefoluten Cihan ("O-Ton Marco Ewert: "NIIICHT Cihan!!!!") per Elferbumms mit dem alten EC-Kartentrick - schiebt einfach ein. Mentalitätsmonster, die Truppe! DAS war der Wendepunkt, im wahrsten...
Kick gegen Altona auf Initiative des Gastgebers verschoben ( ohne Hoyzer ), was diese dann später auch zu würdigen wussten. Aber dazu weiter unten mehr...
Ellerau, Heimspiel, Claus Hencke hat sich schätzen lassen und steht im Tor, Ude hat mit der U23 und der Altliga nur zwei Spiele an dem Wochenende und meldet Eigenbedarf an. Wieder Rückstand durch Mörderklebe, dann aber Onkel Lübbig und Damian das Spiel auf links gezogen. Olli in der 2.Hz mit direktem Einfluss auf die Fairnesstabelle und Tommy D. mit dem wichtigen 3:1 in Unterzahl. Sack zu durch Lübbe, freischwebend aus 11. Boom-Shakalak.
Verspätet wie der IC von Berlin nach Cottbus, Wagons in umgekehrter Reihenfolge, ab nach Altona. Dort angekommen waren wir uns des Dankes sicher, der Verlegung zugestimmt zu haben. Blumen, Schächtelchen Bier, Kuchen und Gebäck, Einmarsch begleitet durch den Spielmannzug der Heilsarmee Bahnhof Altona. Stattdessen Fahrkartenkontrolle, Mahan im Verdacht, mit der Schülermonatskarte angereist zu sein. Gut, der Junge hat prima Gene und sieht in der Tat aus wie ein 14-Jähriger Watussi-Krieger. Sauer dagegen Vadim und Christoph, weil keiner deren Ausweise sehen wollte. Schwerer Gang, Tore durch Cihan's Elfer und Marcellos vogelwilden Ausflug. Ello in der Schlussphase doch noch als Torwart überwunden und damit doch nicht besser als Claus - überraschend. Hart umkämpftes Spiel gegen einen Gegner, von dem es keinen gemeinsamen Freundschaftsschal zu kaufen gibt. Aber auch diese Hürde genommen. 13 Punkte und im gemütlichen Mittelfeld - schau an.
Sonntag. 10:30 Uhr, Lohkamp. Also, Lurup. Also, eigentlich Osdorfer Born. Tja, nicht so einfach mit der Ansässigkeit unserer langjährigen Gefährten. Ein bisschen wie der Messi, der bevor er mal richtig aufräumt einfach die Wohnung wechselt. Die letzten Ergebnisse aus unserer Sicht waren 3:10, 0:5, 9:0. Also immer was los. Horneburger Schießen auch diesmal, Anarcho-Blume wild keulend auf der 10, Ello mit Brandbomben aus der zweiten Reihe, Debütanten-Ramon mit Bock auf Buden, Mahan mit Horroblessur auf rechts, die verglichen mit dem Tattoo auf links ein bisschen wie "Original und Fälschung" aussah, wo man im Abgleich 10 Fehler suchen muss. 4 in der Ersten, 4 in der Zweiten, und endlich mal zu Null, Michi hielt blank, Ude und Thomas ohne Blutdruck, Rainer mit Frühjahrsputz auf der 6 Ende November, die Einwechselspieler auch nichts zerdeppert. Nice...
Der Jahresabschluss kurz vor Nikolaus in Nienstedten. Anstosszeit und Ergebnis passten wunderbar zusammen. 09:00 Uhr Kick-off, also eine Stunde vorm Wecken. Wer macht solche Anstosszeiten freiwillig ab? Wenn das der Plan Nienstedtens war, dann ging der mal mächtig in die Buchse. 4:0 zur Halbzeit, erster Treffer im ersten Seniorenspiel von Schwungachse Sascha, der am Vorabend zwischen Glühwein und Mutzenmandeln zwangsverpflichtet wurde. Erst nach dem 5:0 wachte dann der Gastgeber auf, Ello wurde nach dem 1:5 folgerichtig ausgewechselt , und ab ging die wilde Fahrt, und zwar mal so richtig. 2:5, mehrere Hochkaräter Nienstedtens. Ramon mit etwas Beruhigung, Blume und schließlich Ude per penalty, absurdes 8:2. Garaniert mit zwei Kirschen, die die Konditorei Abwehr noch zuließ. Well, da kann man um 10:45 Uhr dann auch schon mal nen Kasten Bier lenzen. Für einige fast schon zu spät...
Fazit: 4.Platz, ein Spiel weniger, weil Heist jedesmal, wenn sie gegen uns kicken sollen, Maulwürfe oder Fliegerbomben auf der Meniskuswiese einbuddelt. Im Falle eines Sieges virtueller und reeller Dritter, drei Punkte hinter unseren polnischen Freunden aus Altenwerder. Da spricht der ein oder andere schon von akuter Aufstiegsgefahr. So zum Beispiel Steffen. Aber der ist ja auch bekloppt. Und trotzdem nimmt man dem alles ab. Der hätte uns im Juni 2020 auch erzählen können, dass die Senioren im Verbund mit der Altliga eine geile Zeit haben und die gut besuchte Location, in der man gerade sitzt, überleben wird. Aber das wäre dann doch zu gaga.... Fraggle